Der Klimawandel ist spürbar, auch bei uns in Hessen. Die Zahl heißer Tage in Hessen nimmt zu. Gebäude und Räume heizen sich viel stärker als bislang auf. Diese Entwicklung stellt Unternehmen und Kommunen vor neue Herausforderungen: Denn es gilt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor zu großer Hitze am Arbeitsplatz zu schützen. Unter dem Schlagwort Sommerlicher Wärmeschutz verbergen sich verschiedene Maßnahmen, um das Aufheizen von Gebäuden zu reduzieren.
Das energetische Bauen und Modernisieren ist hier die erste Wahl: Nicht nur, um den Heizenergiebedarf zu senken, sondern auch um für behaglichere Temperaturen und weniger Kühlbedarf im Sommer zu sorgen. Bei einer Kühlung wiederum gilt es, möglichst wenig Energie und Ressourcen zu verbrauchen.
Wir stellen Ihnen auf dieser Seite praktische Tipps vor, wie in Gebäuden vor Wärme geschützt werden kann.
Strukturelle Maßnahmen für verbesserten Schutz bei sommerlicher Hitze
Der Bausektor muss dem Klimawandel auf zwei Ebenen begegnen: Reduzierung der Treibhausgasemissionen und Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen, insbesondere bezüglich sommerlicher Hitze in Städten und Gebäuden. Planerische Entscheidungen sollten Materialien und Systeme mit geringen Treibhausgasemissionen berücksichtigen. Die erste Ebene sollte ohnehin grundsätzlich bei allen planerischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Die Standortwahl und Gebäudeausrichtung beeinflussen die Hitzeresistenz. Faktoren wie Verschattung, Sonnenexposition und Luftströmungen sind wichtig. Es kann z. B. sinnvoll sein, die Ausrichtung anzupassen, um das Binnenklima zu verbessern.
Hoher Grünanteil als positiver Einfluss auf Binnenklima des Gebäudes
Versiegelte Flächen vermeiden
Ausrichtung der Fassaden entsprechend ihrer Ausrichtung zur Sonne
Verschattung durch andere Gebäude, Exposition zur Sonne, Beeinflussung von Luftströmungen
Kühlung durch Lüftung
Stoßlüften
Das komplette Öffnen der Fenster führt zu einem schnellen Luftaustausch von verbrauchter zu frischer Luft. Bei bestimmten Nutzungen (viele Personen in kleinen Räumen oder hohe Aktivität) kann ein mehrmaliges Stoßlüften pro Stunde erforderlich sein, um gute Luft im Raum zu gewährleisten. Zu häufiges Stoßlüften in kurzen Abständen kann den Arbeitsablauf allerdings stören.
Kipplüften
Die Kippstellung der Fenster kann zu einem kontinuierlichen Luftaustausch führen und durch den Luftzug auch zu Kühleffekten auf der Haut. Allerdings kann dauerhaftes Lüften auch zu Zuglufterscheinungen führen und für manche Menschen unangenehm sein. Die Luftströme sind daher entsprechend zu lenken, um keinen Unzufriedenen zurückzulassen. Idealerweise können Oberlichter für das Lüften genutzt werden.
Querlüften
Eine verstärkte Form des Lüftens ist das Querlüften, bei dem quer durch das Stockwerk das Strömen der Luft erleichtert wird. Dies führt zu einem schnellen Luftaustausch und durch geschicktes Kipp- bzw. Halb-Öffnen von Türen kann die Zugluft gesteuert werden.
Hitzeräume
Zu vermeiden ist es, Räume, die sich aufheizen oder stark frequentiert werden, durch Schließen aller Zugänge vom Luftaustausch abzuschließen. Günstig ist es daher, auf der heißen Seite (Süden) die Fenster zu beschatten und ggf. zu schließen, so dass keine heiße Luft von außen eindringt, auf der kühlen Seite aber die Türen zum Flur offen zu lassen, um zumindest den Luftaustausch und eine leichte Luftbewegung in das Gebäude zu gewährleisten. falls nötig, sollten bei längeren Besprechungen Pausen zum Querlüften eingelegt werden.
Treppenhäuser, Atrium, Flure
Treppenhäuser, Fahrstuhlschächte und ähnliche Räume, die ggf. über die Nachtentlüftung als Kühlluftspeicher für den Tag genutzt werden sollen, müssen über Luftaustausch aktiviert werden, wenn die Außenluft zu heißt ist. Dann ist eine Luftbewegung im Gebäude auch am Tag notwendig.
Lüftungszeit und -dauer
In Bauteilen gespeicherte Wärme und Kälte brauchen ihre Zeit, bis sie im Raum wirksam werden. Ein schnelles Lüften am frühen Morgen kühlt zwar die Luft im Raum, die Bauteile allerdings kühlen nur an den Oberflächen ab. Daher sollte ausgiebig gelüftet werden, solange die Außentemperatur noch unter der Innentemperatur liegt. Noch besser ist ein kontinuierlicher kühlender Luftaustausch über die Nacht, damit die gesamte Bauteilmasse als Speicher aktiviert werden kann.
Nachtkühle zur Gebäudekühlung nutzen
Alle Kühlprozesse von Gebäuden benötigen passende Wärmesenken, die drei Kriterien erfüllen sollten: hohe thermische Kapazität, niedrige Temperaturen und kostengünstige Erschließbarkeit. Die Außenluft um Gebäude erfüllt dies an vielen Tagen im Jahr, wenn die Nachtlufttemperatur unterhalb der Raumlufttemperatur liegt. Dann kann die am Tage in den Bauteilen gespeicherte Wärme entladen werden, indem die Räume mit kühlerer Nachtluft durchströmt werden. Am Tage kann die Gebäudemasse wieder die überschüssige Wärme im Raum aufnehmen.
Dieser Prozess wird durch verschiedene Maßnahmen begünstigt:
Die natürliche Lüftung (Konvektion) kann durch einen Temperaturunterschied zwischen Raumluft und Außenluft begünstigt werden.
Wenn natürliche Konvektion nicht ausreicht, kann eine Lüftungsanlage helfen.
Eine gute Wärmeübertragung wird durch exponierte Flächen gefördert.
Bei starker Außenluftbelastung ist kontrollierte Nachtlüftung mit Filtern ratsam.
Innenräume sollten gut durchströmbar sein.
Die Dauer der Nachtlüftung beeinflusst das Ergebnis.
Einbruchschutz sollte bei offenen Fenstern beachtet werden.
Das Kühlpotenzial über die Nachtlüftung ist zwischen Gebäuden sehr unterschiedlich. Eine individuelle Berechnung und eine Prüfung der lokalen Temperaturverläufe im Sommer sind immer empfehlenswert. Für eine erste grobe Abschätzung sind Kühlenergien bei natürlicher Konvektion über die Nacht von bis zu 150 Wh pro Tag und Energiebezugsfläche möglich. Bei erzwungener Konvektion steigt diese bis auf ca. 250 Wh pro Tag und Energiebezugsfläche.
Weitere Maßnahmen
Luftzirkulation
Die Luftbewegung beeinflusst die thermische Behaglichkeit in Gebäuden. In der Heizperiode sollte die Luft mit moderater Geschwindigkeit zirkulieren, während in der Kühlperiode stärkere Luftbewegungen aus verschiedenen Gründen wichtig sind:
Die Luftbewegung verstärkt die Wärmeübertragung bei Bauteilen.
Stärkere Luftbewegung begünstigt die Wärmeübertragung an der Hautoberfläche der Menschen. Sie begünstigt außerdem die dort stattfindende Verdunstung (Verdunstungskühlung).
Weiterhin kann durch Luftzirkulation in Kombination mit einem Luftwechsel eine zu hohe Luftfeuchtigkeit im Raum reduziert werden.
Besonders in tropischen Sommerperioden verbessern Luftbewegungen im Gebäude die Behaglichkeit. Zusätzlich sollte eine günstige Platzierung der Lufteinlässe gewählt werden, um lokale Zuglufterscheinungen zu verhindern.
Sonnenschutz in der Architektur
Die Installation von Sonnenschutzelementen kann Nutzerinnen und Nutzer vor Blendung und die Gebäude vor Überhitzung schützen - besonders beim großflächigen Einsatz von Glas in der Architektur. Verschiedene Sonnenschutzsysteme können nach Position und Funktionsweise unterschieden werden, die mit diversen Vor- und Nachteilen verbunden sind.
Außenliegender Sonnenschutz kann z. B. in horizontal- und vertikal-orientierte Systeme unterschieden werden. Beide Systeme verhindern das Vordringen von Wärmestrahlung in den Innenraum. Auch wenn außenliegender Sonnenschutz meist mit technischem Mehraufwand verbunden ist, wirkt es effektiver als innenliegender Sonnenschutz.
Sonnenschutz durch Begrünung
Neben zahlreichen technischen Lösungen, die teilweise kosten- und energieintensiv sind, kann Verschattung und Kühlung effektiv durch Begrünungsmaßnahmen an, vor und auf Gebäuden erreicht werden. Die Gebäudebegrünung bringt zusätzliche Leistungen wie eine erhöhte Wohn- und Aufenthaltsqualität mit sich.
Gebäude und bauliche Infrastruktur bieten hierfür ein großes Flächenpotenzial. Besonders das Dach und die Fassade von Gebäuden, aber auch die oftmals begrenzte Fläche vor/hinter dem Gebäude bieten Möglichkeiten der Begrünung.
Um eine natürliche Verschattung und bessere Durchlüftung zwischen Gebäuden zu erreichen, ist es wichtig, bereits klimaaktive Flächen zu erhalten und zu entwickeln. Offene, vegetationsbedeckte Flächen sorgen für Kühlung durch Verdunstungskälte.
Maßnahmen wären hier z. B.:
Versiegelte Flächen zu entsiegeln, um eine Vegetationsschicht auszubilden, die eine kühlende Wirkung hat.
Dach- und Fassadenbegrünung, die ohne zusätzlichen Bodenverbrauch einhergeht und starke Temperaturschwankungen mindert.
Große Laubbäume am Gebäude vermeiden Überhitzung durch Schatten und Verdunstung.
Die Maßnahmen sollten durch eine Fachplanung beurteilt werden, um die richtigen Wuchssysteme, Pflanzenarten und die Begrünungsintensität standortangepasst auszuwählen. Beispielsweise sollten dadurch nicht die Luftbahnen zur Abkühlung blockiert werden.
Weitere Informationen über den Klimawandel und seine Folgen finden Sie unter klimawandel.hlnug.de
Intelligente Gebäuderegelung im Sommer
Mithilfe intelligenter Regelsysteme lassen sich Gebäude auch während der Sommermonate energieeffizient betreiben - automatisiert gesteuerte Lüftungs- und Kühlungsprozesse können den CO2-Ausstoß und Betriebskosten minimieren.
Eine wichtige Hilfestellung für die Gebäudenutzerinnen und -nutzer sind intelligente Raumbediengeräte zur Erfassung und Visualisierung von Temperatur, Feuchte, sowie CO2- und VOC-Gehalt (Flüchtige organische Verbindungen / volatile organic compounds). Optimal sind folgende Klimawerte:
Temperatur: 20 bis 23°C
Feuchte: 40 bis 60 Prozent
CO2-Gehalt: 400 bis 800 ppm
VOC-Gehalt: 0 bis 5 Prozent ("grüner Bereich")
Übermäßige Nutzung von Klimaanlagen kostet wertvolle Energie und führt zu unnötig hoher CO2-Belastung. Deshalb ist vor Einsatz der intelligenten Regelstrategie ein Funktionstest der Gebäudesysteme unerlässlich, um die maximale Effizienz gewährleisten zu können.
Interne Wärmelasten reduzieren
Personen sowie elektrische Geräte geben Wärme ab und erhöhen die Raumtemperatur. Auch Wärme aus Fluren, Sanitärräumen und Treppenhäusern sind belastende Faktoren. Mit folgenden Maßnahmen können diese internen Wärmelasten reduziert werden:
Stromintensive Prozesse wie z. B. Backup-Prozesse von Servern während der Nacht ablaufen lassen, damit die Abwärme den Tagesbetrieb weniger belastet.
Wärmeproduzierende Bereiche einhausen und die anfallende Wärme direkt abführen. Abluftanlagen in Küchen und Bädern vorsehen.
Auf effizientere Leuchtmittel und -anlagen umrüsten.
Standby von Geräten möglichst vermeiden.
Die Luftzirkulation sollte im Gebäude generell ermöglicht werden. Jedoch sollte man darauf achten, anfallende Wärmelasten aus Nebenräumen direkt abzuführen.
Kühldecken
Die Kühlung über ein Deckensystem (Flächenkühlung) nutzt das Prinzip der stillen Kühlung: Warme Luft steigt auf, wird an der kühlen Decke abgekühlt, sinkt abgekühlt nach unten und nimmt Wärmelasten auf. Die Luftbewegung erfolgt langsam, kontinuierlich und physikalisch. Kühldecken erfordern minimale Wartung, sind hygienisch und funktional über die Nutzungsdauer.
Der Energietransport erfolgt über Wasser, so dass verschiedene Kälteerzeugungsarten mit Kühldecken kombiniert werden können. Die Wassertemperatur, mit der eine Kühldecke durchflossen wird, liegt bei ca. 16 °C. Die Oberflächentemperatur der Decke liegt damit stets wenige Grade unter der Raumlufttemperatur. Diese geringe Temperaturdifferenz und das Prinzip der Kältestrahlung führen zu einer Vermeidung von Zugluft und steigern das Wohlbefinden.
Individuelle und bedarfsabhängige Erwärmung und Kühlung durch VRF*
* Variable Refrigerant Flow = VRF-Technologie
Klimatisierung mittels VRF-Technologie bietet variable Kältemittelströme und leistungsregulierte Außengeräte. Die Technologie ermöglicht Kühlung und Heizung der Raumluft.
Spezielle VRF-Systeme verteilen Wärmelasten entsprechend den Anforderungen und nutzen überschüssige Wärme sinnvoll. Die Ausrichtung eines Gebäudes kann zu verschiedenen Nutzeranforderungen in Bezug auf Heizen oder Kühlen führen.
Kontakt
Robert Weicht
Senior Experte Energieeffizienz und Dekarbonisierung in Unternehmen